Mein großes Thema in diesen Tagen ist Entschleunigung. Soll heißen, dass ich irgendwie aufgefordert werde, aufmerksamer im Kleinen zu sein. Denn letztlich ist das Kleine die Sprache des Inneren, des Kosmos, oder wie auch immer du das nennen willst.
Meistens zeigt sich das wesentliche Thema durch kleine Missgeschicke.
Beispielsweise habe ich unlängst meine Tasche aufgemacht, wahrscheinlich entweder eine Sonnenbrille oder meinen Autoschlüssel gesucht und es gab einen Knall!
Mein heiß geliebter, mindestens 10 Jahre alter Füller schepperte zu Boden. Die Kappe war abgeflogen und der Rest in zwei Teile gebrochen. Die Sauerei, die ich anschließend mit Sekundenkleber veranstaltet habe, ist ohne Worte.
Erst sah es aber so aus, als ob das funktionieren könnte. Die Schnittstelle war sauber gebrochen, ließ sich glatt zusammensetzen, den Kleber- ha! das passiert mir ja nicht zum ersten Mal - statt mit den Fingern mithilfe eines Streichholzes aufgetragen- entstand ein quasi neuer Füller.
Denkste!
Es fing gut an, er schrieb wieder, mein Kleiner. Kratz, kratz, kratz übers Papier. Ich liebe dieses Geräusch. Die Menschheit wird es bald vergessen haben, glaube ich. Und meine Tinte! Südseeblau. Immer Südseeblau.
Und dann hatte ich plötzlich Südseeblau!!!
Langsam hatte sich die Tinte durch die Klebestelle gefressen, Daumen und Zeigefinder bis in die tiefsten Poren verfärbt, und nun tropfte es es sanft und stetig auf meinen Holztisch.
Das nächste Disaster.
Wie kriegt man Tinte aus der Holzmaserung? Kannst du googeln: gar nicht!
Wer jetzt glaubt, ich hätte den Füller mit spitzen Fingern in den Mülleiner geworfen, der irrt! Kennt mich schlecht. Nein, da fiel mir ein, dass ich vom gleichen Hersteller noch einen Füller besaß, irgendwo, und ich könnte doch das gebrochene Vorderteil durch das des alten Füllers ersetzen.
Unendlich Zeit verplempert mit Suchen.
Ich bin vor ein paar Monaten umgezogen, was gut ist, denn viele Dinge, wie alte Füller, gibts einfach nicht mehr. Gott sei Dank. Aber leider gab es jenen Füller doch noch!
Auf ins Unglück!
Es ist mir ehrlicherweise gleich aufgefallen, dass sich die beiden Teile nicht so ganz leichtgängig aneinander schrauben ließen. Aber wo ein Wille ist, da ist ein Weg, sagt man doch so? Jetzt nur noch neue Tinte. Die Entscheidung ob Tintenkartusche aus dem Glas befüllen oder flugs eine Patrone reinschieben, fiel zugunsten der Patrone.
Vorsichtiges Anschreiben. Dieses Mal mit Zeitungsunterlage. Nee, sieht gut...das klappt. tatsächlich.
Diese Feder ist zwar nur vergoldet und kratzt etwas mehr als die alte18 Karat Goldfeder, aber hey- ein bisschen Schwund ist doch immer. Neue Gedanken kreisten schon um die nächste Operation. Ich könnte doch die Goldfeder aus dem alten Füller rausziehen (womit?) und dann tauschen. Nichts wie hin zum Mülleimer, das versaute Teil wieder rausgefischt, unterm Wasserkran durchsichtig gespült und zum Trocknen auf ein Papierhandtuch gelegt.
Geduld ist auch nicht meine Stärke.
Anstatt zu warten, bis ich eine geeignete, feine Zange aufgetrieben hätte, habe ich die Rohrzange genommen. Schon klar was dann passieren musste. Die Goldfeder ließ sich ganz gut lösen, das ja, aber ihre beiden Bestandteile verdrehten sich umeinander wie die Füße einer Ballerina.
Pas de deux, aus die Maus.
Erst jetzt! habe ich den Krempel weggeschmissen. Zwei geschlachtete Füller entsorgt, mein schönes Heft versaut und jetzt bin ich konfrontiert mit einer Lustlosigkeit überhaupt noch irgendwas aufzuschreiben.
Und schon lungerte die Frage, "und worum ging´s wirklich?" im Raum herum.
Geh weg, blöde Frage! Uhh, uhhh! Kein Stück.
Ein paar Tage zuvor hatte es eine Auseinandersetzung mit einer Freundin gegeben. Es ging um einen gemeinsam geplanten Workshop, dessen Vorbereitung ziemlich verschleppt worden war und nun musste schnell etwas getan, gedacht, aufgeschrieben (!) werden.
Tja, und dann loderte der Schwelbrand los. Plötzlich - wie genau weiß ich gar nicht mehr und ist auch nicht wichtig- ging es um Sprache, meine Sprache! Es ging um meinen Hang die Dinge immer konzeptionell anzugehen (hab ich halt so gelernt) ging es um meine Geschwindigkeit und es folgte eine Litanei von "...immer machst du dieses oder jenes."
Und eins sage ich euch, immer geht gar nicht!
Das Wort friert einen an einem Platz ein, wo man gar nicht sein will. "...immer setzt du mich mit deinen Konzepten unter Druck!"
"Ich? Du hast wochenlang rumgetrödelt und nix gemacht!, jedesmal dasselbe!",
Und jedesmal ist auch keinen Deut besser als immer. Und den kleinen Bruder nie können wir auch gleich streichen.
Das sind Wörter, die uns festnageln und aus dem natürlichen Fluss bringen. Und wenn wir mal in uns hineinhorchen, dann gibts da ziemlich viele von solchen Nägeln. Wenn wir noch genauer hinsehen, dann wird uns auch klar, dass wir selber großzügig solche Plaketten verteilen.
Immer. Nie. Jedesmal. Dauernd.
Das sind Zeitanhalter. Sie halten unsere innere Zeit an. Sie machen uns unkreativ, weil wir uns auf Nebenschauplätzen aufhalten, anstatt das zu tun, was uns am Herzen liegt.
Die Goldfeder hat mich auf das Thema gebracht.
Hätte ich angehalten und mal genauer hinterfragt, was in unserer Freundschaft eigentlich sauer gelaufen ist, hätte ich wahrscheinlich meinen Füller noch. Davon bin ich überzeugt. Und nein! Es ist keine Schuldzuweisung, es ist eine Lebensmetapher. Sowas kann man dankend annehmen. Es ging um Sprache. Und um nicht Ausgesprochenes. Immer schön lala um den heißen Brei herum gesprochen. Und die Whatsapps gleich dazu: mehr Blümchen als Wörter, ist doch krank!
Sprache ist nun mal mein Element. Das ist ein kosmisches Geschenk für das ich sehr dankbar bin.
Ich muss es behüten, es nutzen und behutsam damit umgehen.
In unserer hitzigen Diskussion wurde mir vor die Füsse geworfen, "für mich ist Sprache bedrohlich!" Da ist mir vor Schreck der Füller aus der Hand gefallen.
"... bedrohlich?"
"Aber ich wollte doch gar nicht..."
Also,
wenn unser Talent angegriffen wird (ganz gleich was es ist), geht es eigentlich um unsere Einzigartigkeit. Und die ist ein kosmisches Geschenk.
Höchstwahrscheinlich sind wir schon beim Thema Neid oder Eifersucht angelangt. Guerilla Ansatz natürlich, schön im Untergrund operieren.
Ich hatte mal einen spirituellen Lehrer, der hat gesagt,
"...Eifersucht ist, wenn man etwas, was ein anderer tut, sehr leicht selber auch tun könnte, es aber aus irgendeinem Grund nicht tut."
Es ging letztlich natürlich nicht um Sprache, aber das war ein treffsicherer Angriffspunkt. Leichte Beute. Man muss schon einigermaßen in sich ruhen, um das so einfach durchzuschieben.
Was ich euch mit auf den Weg geben will, ist das: achtet auf die Zeichen und achtet auf eure Verletzungen. Wenn euer Talent in Mitleidenschaft gezogen wird, Stopp!!!!Halt!!! und erst mal nachdenken. Schützt eure Talente. Erkennt, dass auch unsere Lieben manchmal diese Grenze übertreten. Das ist auch nicht wirklich tragisch.
Weil,
ich kaufe mir jetzt einen neuen Füller, ich nehm den gleichen noch mal und weiter geht´s.
Wir sind um eine Erkenntnis reicher und sind in der Lage die Zeit mit in unsere Situation einzubeziehen: Was kommt aus dem JETZT und was ist schon URALT?
Liebe Freundinnen, vertragt euch, nennt das wirkliche Problem beim Namen und lasst es hinter euch.
So haben wir das auch gemacht.
Macht´s gut und ich wiederhole meine große Bitte, mir zu schreiben. Das Datenschutzgedöns erfordert, dass ihr euch einmal anmeldet und von da an können wir frei schreiben. Ich spamme euch nicht zu. Ich schreibe einmal im Monat einen Newsletter und zur Zeit einmal in der Woche einen BLOG.
Liebe Grüße
Birgit
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