top of page
AutorenbildBirgit Kersting

AUFSTAND IM ZOO

Aktualisiert: 25. März 2021

Eine neue Episode aus: Mein Gorilla will das nicht.

Da ist er wieder. Der Gorilla. Ihm war mal kurzfristig das Witzeln vergangen. Er grüßt euch alle sehr herzlich und hofft, dass ihr gesund seid und alles dafür tut, dass ihr es auch bleibt! Besonders jetzt am Wochenende. Soll warm und sonnig werden. Da winselt der Kleingrill um Ausgang, tut´s nicht Leute, es ist einfach noch zu unsicher wegen der Ansteckung!

Ach ja.


Der Gorilla langweilt sich- ehrlich gesagt- auch. Er klagt, dass keiner mehr in den Zoo kommt, dass die Tiger, Elefanten, Zebras und die Emus nicht wissen, wie sie den Tag rumkriegen sollen.

"Ich kann Schiffe versenken nicht ausstehen," klagt der Gorilla.

"Habt ihr denn Papier?" frage ich erstaunt. Er bewertet die Frage als dämlich, das sehe ich an seinem Blick.

"Kreuzchen- zweimal pfeifen, Kreis- einmal pfeifen. Senkrecht -zweimal klatschen."

Ich spiele das mal für 2-3 Minuten, ist gewöhnungsbedürftig, aber wenn das erst mal klappt, geht die Post ab. So eine Art Body-Rhythm-Dance Ding.

Die 4 anderen im Abteil sind unmerklich von mir abgerückt. Dieser Tage ist eben jeder in seiner eigenen Welt.


Die Affen haben Home Office beantragt, haben sich in der Selbstverwaltung versucht, aber das ging gehörig daneben. Die Wochenration Bananen war gleich weg, drei hatten Bauchschmerzen und die andern sind in mehrtätigen Verdauungsschlaf gefallen. Der Wärter hat gesagt, so ginge das nicht und hat verordnet, dass sie sich ab sofort- ordentlich gelaust -am Zaun zu zeigen hätten, selbst wenn keiner kommt. Das hat die Bande nicht eingesehen, weil alle, die Home Office machen bis zu einem gewissen Punkt verlottern! Nur oben rum nicht. Weil man das ja sieht. Krawattenhemd mit Joggingbuchs. "Das liegt garantiert bei Gaultier schon auf´m Brett!, meint der Gorilla, "...Post-Virus-Chic."


"Die Schimpansen", fügt er besorgt hinzu, "haben sich sogar geweigert zu klettern, sie haben Bürostühle mit Rollen beantragt." Selberdenken braucht das geeignete Mobilar hätte auf dem Transparent gestanden.

"Können die denn schreiben?"

"Tante Google," der Gorilla seufzt, "...Transparente schön gestalten. " Seiner Meinung hätten sie besser auf Pinterest geguckt, aber damit kommen sie nicht so gut klar. Sie verstehen nicht, warum auf einem Blatt "der neuste Strickpullover" von vor 5 Jahren, ein "leichtes Osterrezept", wofür man mindestens 13 Töpfe braucht und dann noch "Gesichter malen lernen" steht. Für sie ergibt die Zusammenstellung keinen Sinn, sagen sie. Sind halt aufmüpfig.


Ich kenne diesen Blick- - wenn er so ist, wenn er zu lange nichts sagt und ganz leicht mit dem großen Kopf vor und zurückwippt.

"Die Zebras haben es gut," sagt er endlich.

"Die Zebras, wieso denn die...?"

"Wusstest du, dass Fliegen die Zebras gar nicht sehen können?"

"Du sprichst von der gemeinen Stubenfliege?" Er nickt, "auch...Mücke, Stechfliege...."

"Das habe ich nicht gewusst," muss ich zugeben.

"Is aber so. Deshalb kaufen ja Perdebesitzer auch Decken mit Zebramuster, damit die Fliegen sie nicht sehen." Ich brülle los. Aber seine Gedanken zeigen Struktur:

Der Winter war zu warm!

Es wird massenhaft Insekten geben!

Vor allem Mücken!

Angenommen-- (jetzt kommt´s), angenommen, die Menschen würden sich sorgfältig mit Klopapier einwickeln... ich bin gerade noch dabei, das entsprechende Bild meines Nachbars zu projizieren..., da schlägt er sich schon auf die Oberschenkel, "ich sehe du hast es jetzt auch verstanden! Gar nicht so doof, die Zweibeiner!"

Vielleicht sind die 4 Mitfahrer in der Bahn auch deshalb von mir weggerückt. Der Gorilla hat mich eingewickelt, weil ich zufällig was Schwarzes anhatte. Wollte mich schützen. Er ist überzeugt, dass das auch gegen Viren hilft. Die Wickelung war halt noch nicht ganz perfekt.


"Ist das bei den Tigern auch so?"

Er denkt länger nach. Er wird mir ein Geheimnis verraten und dabei ist ihm nicht ganz wohl.

"Die Tiger", flüstert er, "haben einen ganz anderen Gig laufen."

Und zwar?

Die haben ihren Zaun zerlegt und damit ein Raster auf dem Boden ausgelegt. Jetzt üben sie Choreografien im Schautanzen. Ihr Vorbild ist eine irische Steppband.

Wenn der Zoo wieder aufmacht, erhoffen sie sich Beförderung wegen außerordentlich guten Betragens. Der Obertiger verhandelt schon eine Tournée durch Europas Zoos.


"Nur weil du sie erwähnt hast, was ist mit den Elefanten?"

"Die hamstern!", kommt es wie aus der Pistole geschossen.

"Hamstern?"

Er kann sich kaum noch beherrschen, "Schwänzchen an Rüssel marschieren sie zum Futterlager. In der ersten Runde holen sie sich einen Ballen Getreide. Legen ihn ab. Immer in denselben Trog. Dann dreht sich die Mannschaft um, der Letzte-jetzt-Erste nimmt freudig den Getreideballen auf, so als hätte er ihn auf der Jagd ergattert, und dann tragen sie ihn wieder zurück. Das machen sie den ganzen Tag."

Mit fällt das leere Nudelregal ein. Ich sage aber lieber nichts.


"Interessiert dich nicht, was mit den Emus ist?"

"Ich würde ganz gerne noch was einkaufen heute!"

"Ich komm mit," beschließt er, "ich hab schon lange keine Menschen mehr Schlange stehen sehen!"

Er seufzt herzzerreißend. Ich kann ihm die Bitte nicht abschlagen.

"Die Emus sind auch flugunfähig..." tönt der Gorilla, als wir endlich einen desinfizierten Einkaufswagen ergattert haben. Die hinter uns vergrößern den Pflichtabstand.

"...und auch wahnsinnig neugierig!" Die Frau, die den Gorilla unverwandt angestarrt hat, zischt abwertend und geht weg.

Ich sehe sie mit der Filialleiterin zurückkommen.

"Sag jetzt nichts!" warne ich ihn.

"Entschuldigung," flötet die zarte Gestalt und ich hege wieder Hoffnung, wenn da nur nicht die entschlossenen Dicke wäre, die definitiv zu nahe aufgerückt ist.

"Jahaaa, die Dame...?" haucht der Gorilla und die Filialleiterin schmilzt dahin.

"Könnten Sie, ich meine... würde es Ihnen etwas ausmachen--"

Der Gorilla erinnert sich an eine vom Zoopublikum sehr geschätzte Körperdrehung und kriegt sie richtig gut hin.

"Ich ruf gleich die Bullen!" kreischt die Dicke und schaut der Filialleiterin geschützt über die Schulter. Viel zu nahe.

"Würde ich nicht empfehlen," sagt der Gorilla ernst, "die langweilen sich seit Tagen. Da sind sie unberechenbar."

"Beamtenbeleidigung," schreit die Dicke.

"Zooerfahrung," sagt der Gorilla.

"Was brauchen Sie denn, vielleicht... kann ich Ihnen.. behilflich sein..." greift die gut trainierte Filialleiterin ein.

Er sieht mich fragend an.

"Bohnenkraut."

Der Filialleiterin klappt das Kinn nach unten, "Bohnenkraut!".

"Ich ruf die Feuerwehr!", die Dicke ist außer sich.

Der Gorilla ist unzufrieden mit ihr. Er tritt aus der Reihe, ein unterdrückter Schrei aus der Menge.

Er verbeugt sich höflich und nimmt die Dame auf den Arm, als wenn´s nichts wäre. Dann tanzt er.mit ihr über den Parkplatz. Von SUV zu SUV. Bis sie aufhört mit der Schreierei und in haltloses Jauchzen übergeht.

Dann hängt er sie am Gürtel an den Maschendrahtzaun und reiht sich wieder ein.


"Sag mal, spinnst du?"

Er habe mir doch nur erklären wollen, dass die Emus unberechenbar seien. Friedlich, das schon, aber so furchtbar erregbar und eben neugierig.

Wir gehen schweigend die Straße entlang.

Der Gorilla ist traurig, weil ich sauer bin, "ja, ist doch wahr!!!"


Der Gorilla setzt sich auf eine leere Bank. Dann loggt er sich in seinem Mac und ugaah-ugaaht kurz mit seiner Cousine in Neuseeland.

"Gibt´s in Neuseeland Gorillas?", frage ich vorsichtig.

Er klappt seinen Laptop wieder zu und zieht die Schultern hoch, "virtuell."


"Ich kündige heute noch mein Zoo Abo", will ich sagen, aber sein Blick sagt mir etwas anderes. Dass ich schon bald wieder eine Kolumne mit ihm schreiben werde.


Macht´s gut!


Birgit
















52 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page