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BUY A COMPASS, NOT A CLOCK

Autorenbild: Birgit KerstingBirgit Kersting

Aktualisiert: 25. Apr. 2021


Auf meinem Blog "Die Eroberung der inneren Welt" schreibe ich über Orientierung versus  Zeitdruck.
Opas Kompass erinnert mich daran, dass die Richtung wichtiger ist, als die Reisezeit.

Hallo ihr Lieben,

nach geplantem Sabbatical, was keines werden wollte, also keines wurde, melde ich mich zurück.

Ich hatte eine ziemlich genaue Vorstellung von dieser Zeit, ein Vorgefühl von ausgeruhtem Schöpfen, Ideenfluss und inniger Verbindung mit Etwas.


Was daraus wurde, kann ich so beschreiben:

15 neue Sachbücher, alle nur angelesen. Blätterweise Ideen aufgeschrieben, kaum eine umsetzbar. Farbe für meine Praxistür gekauft, Tür nicht gestrichen. Neuen Wandsekretär gekauft, Bohrmaschine geliehen, Liefertermin wurde um 6 Wochen nach hintern geschoben. Und so weiter...


So betrachtet versichere ich euch: das mache ich nicht noch mal. Man kommt ja vollkommen aus dem Tritt, alles was man sich an Routinen und Normalitäten hart erkämpft hat, steht plötzlich auf dem Spiel.


Hin und wieder gab es natürlich auch sinnvolle Momente, wo ich (zum Beispiel) etwas aussortiert habe. Wo ich irgendeine verstaubte Box ausgeräumt und mich gut dabei gefühlt habe. Dabei sind mir einige Dinge untergekommen, die ich näher betrachtet habe. Erstens, weil sie einfach technisch schön sind und zweitens, weil es mir sinnvoll erschien.


Diese beiden (auf dem Foto festgehaltenen) Instrumente sind ziemlich alt. Auf jeden Fall aus dem Pre-Google Zeitalter. Ich habe sie aus einer alten Metallbox (Pre-Curver Zeitalter), die meinem Großvater gehört hat. Das eine ist ein komplexer Kompass. Er kann erstaunlich viel Landschaft und vor allem auch Höhenlinien erfassen, nur – man muss wissen wie.


Das andere Instrument misst Längen. Routen-, Marsch- und Wanderlängen. In unterschiedlich bunten Einheiten. Ziemlich genau also, wenn – man weiß wie. Übrigens aus der Pre-Maps Zeit.

Ich habe sie geputzt, sogar die feinen Rädchen, das Mechanische. Kennt man ja gar nicht mehr.

Hier haben meine Jemacko Lappen ihre Grenze erfahren müssen und ich bin wieder auf den guten alten Baumwollstoff umgestiegen, "riiitsch", in Streifen gerissen. Ein bisschen Balistol drauf (war auch in der Kiste, schönes altes Etikett.) und tief hinauf ging´s.


Wir haben hier fast den Höhepunkt meines Sabbaticals erreicht.


Auf dem Weg, eingelullt in den Duft eines möglicherweise bereits ranzigen Feinöls, habe ich einen gewissen Abstraktionsgrad durchlebt, war sozusagen von meiner eigenen (Sabbatical-)Erwartung entrückt und da sind mir tatsächlich ein paar gute Gedanken gekommen. Denn in der Kiste war auch noch ein goldener Omega Chronometer (nein, verkauf ich nicht!) und ein goldenes Dupont Feuerzeug mit Schnappdeckel. Das alles zusammen gibt folgendes Bild:


Buy a compass, not a clock.


Falls der ein oder andere den Begriff Chronometer nicht mehr oder noch nicht kennt, erlaube ich mir, Wikipedia zu zitieren:


Die Bezeichnung Chronometer steht für besonders präzise ortsveränderliche mechanische Uhren, wie sie früher besonders zur Zeitbestimmung und zur Navigation auf Schiffen und Flugzeugen benötigt wurden. Kennzeichnend ist die Verwendung eines Unruh-Spirale-Schwingsystems in Verbindung mit einer Chronometerhemmung. (Wikipedia)


Umgangssprachlich auch für eine Taschenuhr verwendet (ergänze ich).


Ich habe also – vor meiner Box sitzend –erkannt, dass es möglicherweise dieses Unruh-Schwingsystem ist, was uns so kirre macht. Ganz besonders jetzt, da wir (seit gefühlt einem Jahr) nicht mehr bewegungsfrei sind. Die Erkenntnis meiner Höhe ist die, dass uns das Zeiteisen weiterhin antriebt, auch in Zeiten der vermeintlichen Entschleunigung, jetzt halt digital.


Wir jagen von einem kostenlosen Online Nachhilfe Seminar zum anderen. Gründen Gruppen mit oder ohne gleiche Interessen, egal! Und immer drängt die Zeit. Bis nächste Woche muss ich das... und das... und das... noch lesen, hören und schreiben, posten, uploaden.

(Apropos, ich bin neu bei Clubhouse und in eine Art Gottesdienst geraten. Ich habe eine glatte Viertelstunde verplempert, weil ich gar nicht wusste wer mit wem und warum spricht. Wenn ich die Beschreibungen der meistens ja englischen Rooms lese, sitze ich erst mal weitere 10 Minuten an DeepL). Die schöööööne Zeit. Adé. Also was mich betrifft, ich höre jetzt wieder Thomas Mann.


Buy a compass not a clock. Versteht ihr, was ich meine?


Wir müssen ja auch mal hinschauen, wohin wir eigentlich – immer unter Zeitdruck – rennen!

Jetzt kommt das tolle Thema Orientierung. Kompass, klar. Ich habe mich – vor dem Fundkästchen – gefragt, woran orientiere ich mich eigentlich? Und wieviel Raum gebe ich mir, um diese Orientierung wachsen, wirken und sein zu lassen?

Wenn ich nicht mal eine Höhenangabe lesen kann, wie soll ich meine Kräfte angemessen einsetzen? Wie immer, auf gut Glück?


Sagen wir, ich verlagerte dieses Orientierungssystem nach innen. Machte mich frei von lautem Geplärre und hörte mal, was da (drinnen) an Orientierungssystem überhaupt überlebt hat.

Ein Sinn für innere Richtigkeit vielleicht? Hoffentlich, bitte!

Eine Art Herzverstand, jenseits von Hip und Hype? Auf jeden Fall.

Ruhe? Ja, sie lebt noch.

Vielleicht ist sie das Auge des Sturms, ich weiß es nicht, aber sie fühlt sich gut an. Ich gehe mal drei Schritte rückwärts (merke, dass ich hier bereits ungeübt bin, erinnere mich an einen alarmierenden Artikel über Kinder, deren feinmotorisches System dramatisch zu wünschen übrig lässt...).


Ich blicke auf. Nach hoch oben. Und ganz egal wer diese Domäne für sich gebunkert haben will, der Blick beruhigt mich. Er beruhigt mich sehr! ich lege die Mechanik samt Baumwolllappen zur Seite, und gehe erst mal raus.


Ich atme. Ich gehe mal schnell, mal langsam und wiederentdecke, dass die Welt mit mir spielen will. Sie lockt meine Aufmerksamkeit hierhin und dorthin, nah und fern, sie lässt mich an ihr riechen und zeigt mir so viele Grüntöne, dass mir die Worte dafür fehlen. Ich erlebe eine Art Hochgefühl, ohne konkrete Ursache, einfach so. Ich grüße alle, die mir entgegenkommen und bin auch nicht sauer über die, die stumm weggucken.


Jetzt habe ich den Höhepunkt des Sabbaticals erreicht.


Von jetzt an wird´s kreativ.


Ich schicke euch herzlich Grüße aus den Vorfrühlingstagen und kraft meines Amtes als Life & Focusing Coach ermuntere euch: seid forsche Rebellen gegen den Alltagstrott.


Birgit


Und wie immer freue ich mich über Kommentare.




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