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AutorenbildBirgit Kersting

ICH HAB VERGESSEN SCHUHE ANZUZIEHEN

Aktualisiert: 25. März 2021



Foto: daiga-ellaby-unsplash.

Ihr Lieben,

manchmal, manchmal-- da muss ich mich wundern! Da stehe ich in Köln und habe keine Schuhe an! Ich bin nicht selbst Auto gefahren, also ist es mir ziemlich lange gar nicht aufgefallen. Erst beim Aussteigen, aber dann richtig! Ich habe einen Termin, wir sind ziemlich weit gefahren und jetzt stellt sich mir die Frage, steige ich wieder ein und wir fahren wieder zurück. Nee!


Interessant ist, dass mir seit Tagen schon solche Sachen passieren. Ich bin wohl gerade nicht anwesend auf Planet Erde.


Jetzt, wo ich mich beruhigt habe, an einem mir lieben Ort irgendwie aus der Dunstblase aufwache, wird es mir etwas klar. Darf ich es mit euch teilen?


Es geht um innere Anwesenheit. Um die Gleichzeitigkeit von außen und innen. Und wenn die beiden nicht übereinstimmen, dann kommt es halt vor, dass du dich plötzlich mitten in der Stadt ohne Schuhe wiederfindest.


Spannend ist, wo du dann aufwachst und wie! Ich für meinen Teil stehe also in der Parkgarage und muss die siffige Treppe runterlaufen. Alle starren mich an, besonders, die die von untern kommen, die sehen ja meine Füße zuerst. Denke ich.

War das so?

Hmmm.


Noch spannender ist, was für Gedankenprozesse dann ablaufen. Du bis sozusagen "fish out of water" und von da an könnte es aufregend werden. Jetzt kommt es einzig auf dich an, was du aus dieser Situation machst. Ich habe gezappelt. Mir überlegt, wo das nächste Schuhgeschäft ist und wie unauffällig ich dorthin komme. Aber schon als ich aus dem Parkhaus komme, die bunte Welt vor mir sehe, feststelle, dass überhaupt niemand wahrnimmt, ob ich Schuhe anhabe oder nicht, überfällt mich ein heiteres Freiheitsgefühl. Etwas Junges, Unverbrauchtes erwacht in mir. Eine ferne Erinnerung an Zeiten, wo einem das schnurze war, ob man Schuhe anhat oder nicht.


Das Ding ist, dass barfuß so gar nicht zu meiner äußeren Erscheinung passt. Hätte ich einen Flatterrock an, vielleicht. Aber nein, ich komme ganz klassisch daher. Aha, da sind wir also bei der Rolle, beim Selbstbild. Die Fassade ist angekratzt! Kaum wird mir das klar, erwacht wieder dieser Schelm in mir. Lacht sich innerlich schlapp, während mir – hier draußen – noch die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Doch in meinen Innersten regt sich etwas. Verschieben sich ganz Blöcke, so fühlt es sich jedenfalls an.


Ich entscheide mich sehr bewusst, dass ich alles, was jetzt geschieht unzensiert wahrnehme, einfach durch mich durchlaufen lasse. Erst jetzt bemerke ich, wie viele Menschen mich anlächeln. Sind das die, die auch schlecht geerdet sind und sehr viel Mitgefühl mit mir haben?

Ganz und gar nicht!


Es sind freundliche, belustigte, amüsierte Lippen, die lächeln. Sie freuen sich über das Unangepasste und diese Freude teilt sich meinem Körpersystem mit. Ich bin gerade nahezu euphorisch. Nie mehr Schuhe!

Na gut...übertrieben.


Ich spüre tiefer in mich hinein, in diese spezielle Situation und versuche zu empfangen, was sie mir sagen will. Da blitzen plötzlich Bilder und Worte auf, ich versuche zu greifen, was ich kann. Aber wie nach einem Traum, wo du im Moment des Aufwachens noch ganz genau weißt, was du nächtens erlebt hast, ist in dem Moment, wo du es an dein Hirn weiterleiten willst, alles weg. Alles ist weg!

Wie wunderbar!


Ich gehe also weiter, forsche. Wenn ich nicht aufpasse, finde ich gleich nicht mehr zurück, denn ich habe längst festgestellt, dass mein Handy auf dem Küchentisch liegen muss. Nix mit Google Maps. Und mein Orientierungssinn ist schon an einem normalen Tag der unzuverlässige Teil in mir. Egal!


Mit meinem neuen Sein setze ich mich in ein Straßencafé, die Füsse mutig von mir gestreckt. Der Kaffe schmeckt himmlisch. Kindheit. Ungehorsam. Freiheit. Ich mit mir. Ich mit euch. Das Leben scheint sich zu setzen. Der Blick durch trübes Wasser wird klar und fröhlich. Ich fühle die Stellen in meinem Körper, die den selbst gedachten Lebensschrott gespeichert haben und sie sind schwer. Tonnenschwer.


Ich stelle mir vor, ich hätte ein Eimerchen bunter Kinderkreide und male – gedacht – lauter Gefäße aufs Pflaster. Gefäße, in die ich diese Schwere abladen kann. Und dann tue ich´s. Die Angst vor (...) in eine hübsche Pralinenschachtel und weg damit. Der Ärger mit (...) in einen Weidekorb. Weg damit. Die Schuhe..., in den Rhein. Weg damit.


Im Focusing nennen wir das Freiraum schaffen. Das muss nicht immer so plakativ sein, aber im Prinzip geht es so. Wir durchbrechen innere Schranken, indem wir erst mal alles wegräumen, was wir für diesen Prozess gerade nicht brauchen – weg damit.

Gerade bin ich mal mein eigener Coach und bewältige in fabelhafter Weise (finde ich jedenfalls) die aktuelle Schuhkrise. Ich entscheide, dass alles so sein darf wie es gerade ist und spüre nach, was das mit mir macht!


Ich erzähle euch noch was: ich war barfuß beim Friseur. Wir hatten richtig Spaß. Ich war barfuß einkaufen und hatte richtig Spaß dabei. Nein, keine Schuhe gekauft.

Und sich sag euch was: das, was ich erlebt habe, ist immer noch aktiv in mir. Es ist der Anfang eines Lockerungsprozesses gewesen und verspreche euch: das tut richtig gut!


Ich rufe euch auf, denkt euch einen kleinen Unsinn aus und tut es einfach mal. Ich bin gespannt, was ihr mir zu erzählen habt.


Liebe Grüße und genießt die davonziehenden Sommertage!


Birgit






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