Liebe Blogfreunde, liebe Renate,
mit großer Freude entdeckte ich Renate-Schmidts Blogparade "Grey is beautiful – killen graue Haare das Business von Frauen?"
So ist zu ihrem Aufruf bei Blogparade.net auch noch ein Gorilla abgebildet. Da ich – wie ihr wisst – selber einen schreibenden Gorilla habe (Blog Kategorie: Mein Gorilla will das nicht), kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Die Finger fliegen über die Tastatur. Das Gehirn brauche ich nicht großartig zu mobilisieren, denn was jetzt kommt, kommt aus meinem Bauch, aus dem Frauenbauch, dem archaischen!
Das erste graue Haar habe ich auf einer luxuriös ausgestatteten Toilette in einem Hochhaus in Los Angeles gesehen. In einem überdimensionalen Spiegel, beim Händewaschen unter der Designer Armatur. Da war es! Störrisch, kriselig und unübersehbar. Man stelle sich vor, dass der Rest der Mähne ein Dunkelbraun-liebäugelt-mit-Schwarz Ton war. Die frühe Pocahontas halt. Ich erinnere mich so genau an diesen Moment, der nun dreieinhalb Dekaden hinter mir liegt, dass ich sogar noch weiß, dass ich einem öden StudentenJob nachging, um irgendwie über die Runden zu kommen. Ich hatte einen Packen Namenskarten, die aussahen wie Lochkarten, und ich musste wildfremde Menschen anrufen und versuchen, sie zum Aktienkauf zu bewegen. Ausgerechnet ich! Mein Vorgesetzter – sogar das weiß ich vergeßliches Menschenkind noch – hieß vorne Meyer und hinten Rose.
Von da an war jedenfalls die Basis auf "red alert". Auf gar keinen Fall wollte ich grau werden, ich war doch noch keine 30! Und dann habe ich in einem drugstore meine erste Packung Farbe gekauft. Erst mal Tönung. Das hat gar nicht geklappt, weil die Grauen so geleuchtet haben, dass spätestens jetzt jeder sie wahrgenommen hat! Henna habe ich einmal probiert, danach nie wieder, meine Grauen wurden nun knallorange und leuchteten aus dem Beet der Dunklen wie erste Krokusse. Von meinen Händen gar nicht zu sprechen! Tagelang karottig!
Ich ahnte – von wissen keine Spur – dass ich ein Wintertyp sein könnte, so dass ich mich innerlich mit schlohweißer Mähne visualisiert habe. Die späte Pocahontas. Aber zunächst galt: allles, nur nicht Straßenkötergrau!
Und dann kamen die Färber Jahre!
Zu Anfang – ich bin zur fraglichen Zeit etwas über 30, also auf dem absteigenden Ast – habe ich experimentiert. Bis hin zu punkpink. London Import. Vorher blondiert, keinen Gedanken an die Leber verschwendet. Daran, dass solche Prozeduren in irgendeiner Form gesundheitsschädlich sein könnten, habe ich nie gedacht. Auch nicht denken wollen, denn alles war ja besser, als A L T auszusehen. Ich hatte doch nicht mal zu Ende studiert. Ich wollte leben! Tatsächlich hatte mir der Schock in Meyer Rose´s Büro eine Welle existentieller Grundüberlegungen beschert.
Als arme Studentin habe ich sogar mal ausgerechnet, was es mich kosten würde (ich war doch arm), wenn ich von jetzt an, wahrscheinlich immer öfter, färben müsse. Diese (eine von den vielen dummen Berechnungen, die ich in meinem Leben anstellt habe) hatte den klaren Vorteil, dass ich von Anfang an meine Koloration selbst hingefummelt habe. Nur wenn ich dann irgendwann sieben oder acht unterschiedliche Brauntöne in der Sonne strahlen sah, bin ich mal zur Vereinheitlichung zum Friseur gegangen. Alles, nur nicht alt aussehen!
Die unerbittliche Zeit schreitet voran, die gleichalternden Freundinnen werden zunehmend blonder aber ich – Pocahontas – bin einfach nicht der blonde Typ. Und irgendwann hat man auch diese – wirklich genau zu planende – Übergangs-Erblondung verpasst. Wie beim Surfen, Welle verpasst! Dann wird´s schon radikal: dunkel auf hell.
Irgendwann im zeitlichen Mittelfeld kam mal eine Männerfarbe auf den Markt. Das war so ungeheuerlich, das kam sogar in der Tagesschau. Der Mann, er soll ja nicht leiden und erst recht keine Mühe haben, brauchte das Mittelchen nur auf sein Haupt aufzutragen, dann würde sich das Grau von ganz alleine zurück entwickeln.
Ich gebe zu, ich sage das nicht ohne Schadenfreude, denn da habe ich den ein oder anderen Herrn mit Schimpasenhintern Haarton gesehen und - ach! - in den Augen der Herren eine kleine Spur von derselben Angst, die ich auch kenne.
Nun will es die Beschaffenheit meines Körpers, dass meine Haare wachsen wie Unkraut. Was seine Vorteile hat, denn es hat mir die zweite große Korrekturwelle – die Extensions – erspart.
Inzwischen habe ich den Farbton raus, kaufe Profi Farben und ein -...plex gegen frizzy hair.
Jetzt bin auch nicht mehr arm, ich arbeite als Regisseurin und bin manchmal eine gute Strecke Zeit unterwegs. Das kleine Färbebeutelchen ist mein steter Begleiter, kaum ein Hotel, in dem ich nicht mal kurz den weißen Riss nachgetupft habe.
Zu ungefähr zu der Zeit hat sich als Thema "zu alt" penetrant in mein Sichtfeld geschoben. Schönes Kleid gesehen..."nee, dafür bin ich zu alt!" (Wer spricht denn da?) Dieses "dafür bist du zu alt..." ist überhaupt der ultimative Benimm-Despot. Ab einem bestimmten Alter darf man nicht mehr ausgelassen tanzen, irgendwann dann gar nicht mehr. BS.
Jeder greift schamlos auf die Knute zu, "du bist doch dafür zu alt!" ich würde gerne mal einen Burgschauspieler hören, wieviel Gemeinheit man in den einen Satz einpflegen kann! Gruselig.
Und wenn man nicht aufpasst wie ein Luchs, dann IST man eines Tages zu alt. Oft genug gehört. Miese Propaganda.
Mir sollte jedenfalls noch mal ein Karriere-Shift ins Haus stehen, denn eins war klar: ich habe zwar das Filmhandwerk von der Pike auf (weiß zufällig jemand noch, was eine Pike ist...?) gelernt. Konzept, Drehbuch, die schlaue Organisation, die zuverlässige und vertrauensvolle Arbeit im Team. Schnitt war schon elektronisch, das ja. Und dann sieht man die Kids, die ihr I-Phone über´s Pflaster schleudern und mit zig verschiedenen Stabilisations-Apps das Bild wieder hinbiegen, dann mit einer von gefühlt Millionen Apps hübschen. Upload, download, upload, download.
Ja, liebe Renate, ich kann das aus tiefstem Herzen nachvollziehen, wenn einem der Social Media Wahn auf´s Gemüt schlägt. (Renates Ruf) Nein, du bist nicht zu alt. Könnte es sein, dass wir einfach zu viel machen, weil wir doch auf keinen Fall als hintertupfig (allein das Wort) gelten wollen? Weil wir ganz vorne mitspielen wollen?
Mir hat man vor kurzem nahe gelegt, ich solle doch auf LinkedIn die Jahreszahlen herausnehmen, denn es gebe ja vielleicht doch so etwas wie Altersdiskriminierung.
Vielleicht?! Und: ich denke nicht dran!
Als ich angefangen habe den Grundstock für meine Coachingarbeit zu legen, habe ich einen Satz immer wieder gehört: "warum tust du dir das noch an?" Ach du Schreck! Da habe ich dann mal vorsichtig den Körper abgeklopft, ob noch alles dran ist. So langsam steigt die Wut in mir auf. Geht´s noch?
Und dann eines schönen Tages, ein Tag im fröhlichen Mai, bin ich zum längsten Friseurtermin meines Lebens erschienen. Auftrag: Farbe rausziehen, notblondieren. Ab jetzt wird´s weiß.
Wie gesagt dunkel auf hell ist ein Akt! Fünf Durchgänge blondieren (verzeih mir, liebe Leber!) haben meine Kopfhaut verätzt, die schönen Haare zu Stroh gesteift, aber sie waren immerhin wasserstoffblond. So was lässt man natürlich heutzutage nicht so stehen, also noch zweimal mattiert, dann war der Schopf sandig-grau. Es ist ein komisches Gefühl, wenn einen die Hälfte der Freunde und Bekannten nicht wieder erkennt.
Auch meine liebe Freundin starrte mich an, rang um´s Wiedererkennen und ihre ersten gepressten Worte waren: "Du bist eine mutige Frau!" Wieviele Schattierungen der Satz hat, brauche ich keinem fühlenden Menschen zu sagen! Wie vielen Menschen ich Schnappatmung verursacht habe, lässt sich nicht zählen. Das erste Lob kam von einer sehr alten, sehr gebeugten Dame. Sie fand´s schön. Na super!
Ich bin dabei geblieben. Habe Zentimeter für Zentimeter das sandige Gelb rauswachsen lassen.
Selbstverständlich wurde zwischendurch immer mal wieder mattiert. Und heute habe ich es geschafft. Ich kämpfe nur noch mit der schlechten Angewohnheit des Gummibands. Zopf macht nämlich alt.
Es ist überstanden und hier mein Rat: macht euch Notizen, wie viele kleine und große diskriminierende Sätzlein euch so am Tag entgegenfliegen. Sie beziehen sich aufs Aussehen, ja, aber viel schlimmer noch sind die schlechten Prognosen: das sind die ersten Zipperlein, das kann man einfach irgendwann nicht mehr (Schneidersitz zum Beispiel), man hat nicht mehr so viel Kraft , man wird müde, das Gedächtnis lässt nach (mein bestgehasster Favorit) ... and so on...
Diese kleinen übernommenen und unreflektierten Äusserungen gilt es SOFORT zu bemerken und auf der Stelle zu deprogrammieren!
Vielleicht so:
Hand auf Herz, dreimal tief hinein atmen und ein lautloses und sehr wirkungsvolles Inneres Nein sprechen: "nein, nein, nein!" Das ist ein kleiner Tipp aus meiner Arbeit mit dem kosmischen I-Ging und glaubt mir, er ist sehr schützend.
Gehabt euch wohl und gen weiß!
herzliche Grüße
Birgit
Test am Sonntag 😊