Was tust du, wenn die Welt zu schnell dreht ?
Hallo zusammen, ich begrüße euch auf meinem Blog.
Wenn man bedenkt, dass sich dieser Mai anfühlt wie ein früher April – Regen, Sonne, kalt, Regen, Sonne, kalt – könnte man über verstärkten Immunschutz nachdenken. Der Meinung bin ich auch. Nur denke ich eher an das innere Immunsystem.
Wir taumeln durch eine Zeit, die sich wie ein kindliches Vexierbild mit jeder Bewegung verändert. Ja, das hat man uns gesagt, "das einzige im Leben, was beständig ist, ist die Veränderung." Aber doch nicht so radikal!
Ich habe vor kurzem eine Seite mit Jobangeboten gesehen. Da musste ich feststellen, dass ich fast die Hälfte der Berufsbezeichnungen überhaupt nicht mehr kenne. Hilfe, was ist passiert, was ist an mir vorbeigegangen? Meine Freundin zuckt lakonisch mit den Achseln, "google es halt..."
Apropos. Minuten später lese ich, dass Google in Manhattan einen Retail Store eröffnen wird. Wie jetzt, was verkaufen die denn da? "Fitbit-Zeugs wahrscheinlich..." sagt meine Freundin und ich bin jetzt lieber still.
Nach kurzem (aber bestürzten Nachdenken) stelle ich mir die Frage, müsste ich das alles wissen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum sagt mir das keiner? Ich werde ja kirre. Hier ein Post, da eine LinkedIn Anfrage, Zeitungsartikel fegen über meinen Bildschirm wie Sternschnuppen und jetzt wird mir klar: ich drehe viel zu hoch. Wenn ich das mit meinem Auto machen würde, wäre der Motor bald hin.
Und das bringt mich zum inneren Immunsystem
Wenn im Aussen alles so schnell dreht, ist es um so wichtiger, sich der zentralen inneren Achse zuzuwenden. Ich meine damit nicht die Wirbelsäule, sondern ich meine eine metaphorische Achse: die innere Ausrichtung. Die Welt da draußen ist längst kein Polarstern, kein Kreuz des Südens mehr. Aber immer noch schwanken wir wie auf hoher See durchs Leben. Schnell, schneller, am schnellsten. Ich habe mich schon gefragt, ob das wie bei einem Jagdflugzeug ist – der Überschallknall ist erst hörbar, wenn es schon lange vorbei ist. Mit anderen Worten: zu spät.
Wir lassen zu, dass wir die vielen Eindrücke, die auf uns einstürmen, versuchen zu verarbeiten, sie irgendwo festzuhalten, damit wir später darauf zurückkommen können, nicht ohne Hoffnung, dass sich bis dahin von selbst erledigt haben werden. Wobei natürlich immer ein Restbestand bleibt (die größere Zahl, eigentlich) und das macht uns ein schlechtes Gefühl. Es ist immer so, als wäre mindestes die Hälfte von etwas nicht erledigt und dieses Etwas glotze uns von einer ominösen to do Liste an.
Die Kunst der to-do Listen ist eine Geheimwissenschaft. Muss sie sein, denn ich verstehe sie nicht. Ob Pappe mit Stickern, ob Heft mit Rand, ob I-Phone mit Bimmel, ob Board mit Mail alert- sie nerven mich! ich brauche Stunden, um sie einzupflegen, da hätte ich doch gleich--
Wenn mich an diesem Punkt meiner Erkenntnis noch jemand fragt "...hast du schon...?" möchte ich im Carré springen.
Mach ich aber nicht. Ich erinnere mich an etwas sehr Wertvolles, was ich unlängst lernen durfte.
Das Abtauchen in die Wortlosigkeit
Um mich zu zentrieren, um etwas Ruhe in das Gewirbel zu bekommen, tauche ich ab. Zugegeben, dass muss man etwas üben, aber wenn man es einmal intus hat, ist es wie Kurzurlaub. Es geht darum, einen stillen Raum zu kreieren, ganz gleich was im Aussen gerade los ist.
Man fängt mit der Übung langsam an, aber man verinnerlicht sie schnell. Und dann kann man sie jederzeit und überall anwenden. Wenn du deine Augen nicht schließt, merkt dein Gegenüber nicht einmal, dass du gerade auf einem spiegelglatten See ruhig und gelassen dahingleitest.
Im Ernst, mit Wortlosigkeit meine ich nicht, dass wir uns entziehen sollen, ich meine damit, dass wir unser tosendes Gehirn um Ruhe bitten.
"Ruhe bitte!" Die Gedankenkreise hören auf, heiß zu laufen. Worte fliegen wie Möwen davon. Und dann wird es ganz still. Ich nenne diesen Raum nach einer Inspiration von US Lifecoach Martha Beck – Wortlosigkeit.
Anleitung zur inneren Stille
Lies den Text einmal durch, er ist ganz leicht zu merken. Sonst sprich ihn auf dein Handy...
Setz dich so hin, dass deine Hände frei in der Luft hängen. Das muss nicht anstrengend sein, du kannst die Ellenbogen auf die Stuhllehne stützen.
Schließe deine Augen.
Jetzt wirst du zwei Fragen bekommen, die du dir deutlich stellst (laut oder leise, je nachdem wo du gerade bist.) Sie werden dir vielleicht seltsam vorkommen. Doch achte darauf, was passiert:
Frage 1, "woher weiß ich eigentlich jetzt, dass ich eine rechte Hand habe?"
Warte 20 Sekunden.
Spüre nach...
Kribbelt die Hand? Ist es , als wärst du in einen feinen Lederhandschuh hineingeglitten?
Frage 2, "woher weiß ich eigentlich jetzt, dass ich eine linkeHand habe?"
Warte 20 Sekunden, bis auch die linke Hand kribbelt.
(Anfangs machst du das vielleicht 2-3 Mal im Wechsel – rechte Hand, linke Hand – , bis du es schaffst, dass beide Hände gleichzeitig kribbeln.)
Jetzt stelle dir vor, von der einen kribbelnden Handfläche zur anderen schlägt ein Bogen, wie ein Regenbogen. In diesem Moment schalten die rechte und die linke Gehirnhälfte auf Gleichstrom. Ich stelle mir manchmal vor, sie tanzten miteinander.
Atme tief ein.
Mit dem Ausatmen stelle dir vor, dass du ganz leicht unter die Oberfläche eines stillen blauen Sees sinkst.
Du denkst an nichts.
Du ruhst in der Wortlosigkeit
Beim ersten Mal wird es vielleicht nur so lange klappen, bis dein Gehirn dazwischenfunkt: "Ich hab´s geschafft". Dann bist du wieder im echten Leben.
Aber glaube, mir je öfter du übst, um so schneller kommst du in diesen herrlichen Zustand der Wortlosigkeit. Deine Sinne nehmen viel mehr wahr. Du hörst Vögel, du spürst Weite, du spürst dich!
Das Unwesentliche tröpfelt vom Wesentlichen ab.
Diese kleine Übung stärkt dein inneres Immunsystem.
Stressfaktoren, innere wie äußere, fallen von dir ab und du kannst regenerieren. Das geht sehr schnell.
Wenn du etwas geübt hast, wirst du wie auf einer Welle in die Wortlosigkeit sinken können.
Schick mir eine Postkarte von diesem schönen Ort...
Viel Spaß beim Üben und erzählt mit bitte, wie es euch mit der Übung ergangen ist.
Sagt bitte auch, was ich noch besser machen könnte.
Herzliche Grüße
Birgit
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