Alles immer und überall und sofort haben können und wollen
Du siehst es gleich am ersten Satz. Sofortness ist nichts Schnelles. Es ist ein komplizierter und komplexer Prozess von: gezielten Gedanken, von mühsamem Aufbau von Energie, einer innerlichen Wegbeschreibungen, vom Finden des geeigneten Ortes, der Auswahl der Super-Player und der möglichen Verhinderer, dem Ausschluss einer vernünftigen, inneren Stimme und der Stummschaltung des inneren Zweiflers.
Richtungswechsel ist nicht mehr möglich.
Wer will das also?
Schlechte Nachricht: scheinbar alle.
Vielleicht lebst du in einer Stadt, die heute, am 2. Advent, einen verkaufsoffenen Tag hat, oder du hast dich entschlossen, dich dorthin zu begeben? (Ich kann nur sagen: ich lebe in der Nähe von Roermond und Schwadrone von Verkehrskadetten waren gestern Abend schon dabei, die Verkehrsleitung ins Designer Outlet irgendwie in den Griff zu kriegen). Also ich bleibe zuhause!
Und während ich so nachdenke, fällt mir ein, dass ich zu den letzten beiden einfallsreichen Geschenken, die ich bekommen habe, den Schenker- Kommentar gehört habe: "...das ist super! Ich hab mir das auch gekauft." Ich glaube, das sollte ein gut gemeintes Qualitätssiegel sein.
Ich gestehe, dass sich bei mir das schwummrige Gefühl eingeschlichen hat, das du hast, wenn du erwartungsvoll dein Lieblingslebensmittel aus dem Kühlschrank holst und das Verfallsdatum dich anglotzt: mindestens Anfang voriger Woche abgelaufen.
Ja, abgelaufen. Zwischenmenschliche Beziehung auch abgelaufen? Oder nah dran?
Das mit dem Lebensmittel ist einfach, es muss halt schweren Herzens weggeschmissen werden, aber was ist mit dem Doppel-Geschenk? War das Vorratskauf? Einfach eine schnelle (und dementsprechend unpersönliche) Lösung? Vielleicht Vorratshaltung? Für "man weiß ja nie, wen man vergisst..."-Fälle? Vergessen-werden, ein uralt Trauma.
Positiv gedacht, könnte es ja sein, dass der Schenker sich eigens für mich ins Getümmel geschmissen hat, etwas richtig Schönes gefunden hat und dann denkt, "und wo bleibe ich?"
Tja, "musst du denn immer und überall dabei sein?" frage ich jetzt einfach mal so.
Man könnte doch auch etwas geben, einfach geben.
Damit tun wir uns schwer, denn es könnte ja sein, dass irgendjemand Aufmerksamkeit auf dieses kleine Besondere verwendet, es gar lobt, mich-den-Schenker lobt, etwa für den ausgefallenen Geschmack und wer kann sich leisten, so einen seltenen Moment einfach vorbeiziehen zu lassen?
Du.
Jaja, genau du. Es sei denn, du gehörst zu den Ausrangierern. Zu den "...das habe ich noch nieee benutzt/gebraucht" -Typen, die sowas dann weiter verschenken. Ja, sag mal! Das kann sich nicht wirklich gut anfühlen, das ist im besten Fall dein Theaterdebut.
Du spielst "...das hat mich sooo an dich erinnert", und gleichzeitig, "...endlich ist der Scheiß weg", (eine schwere Doppelrolle für einen Theater Anfänger) und der Empfänger spielt, "..so etwas Schöööönes habe ich noch nie gesehen", und simultan, "...wen kenne ich, dem ich das vermachen könnte", oder "...wo ist der nächste Mülleimer", oder "...warte nur, das kriegst du nächstes Jahr zurück!"
Denn diese Möglichkeit dürfen wir nicht außer acht lassen, das gemeine Zurückschenken.
Früher (war sowieso alles besser) hat man gestrickt. Kratzige Pullover, unförmige Pullover, blöde Farben, oder Farbwechsel auf Brusthöhe. Gut, dass das vorbei ist! Ein Fünferpack Schlüpfer tut´s doch auch. Von weiß nach schwarz.
Sofortness. Ich habe anlässlich der nahenden Schenk-Olympiade das Schenken beispielhaft herausgegriffen, aber eigentlich plagt sie uns überall. Sofortness. Ich habe über einen Obdachlosen (was ist das eigentlich für ein Wort?) gelesen, dass er innerhalb eines Monats 11 Sprachen gelernt habe. Ja, dachte ich mir, und er kennt wahrscheinlich keine 3 Menschen, die ihm die Gelegenheit geben würden, eine davon zu sprechen. Ich hab noch am selben Tag mein Abo gekündigt.
Diese Sofortness kneift uns überall und immer. Viele Dinge tun wir erst gar nicht mehr, weil es ja gegen dieses heilige Prinzip sprechen könnte. Ein Instrument lernen zum Beispiel. Wozu auch, alle Instrumente gibt es vorgefertigt in garageband und Konsorten.
Bücher ersetzen wir durch Hörbücher.
Und dann gibts ja Alexa.
Wir sind also gut aufgestellt. Nur im Kern, da sind wir etwas instabiler geworden. Wir geben uns auch wenig Mühe damit. Und dann, wenn uns klar wird, dass wir dieses innere Loch füllen müssen, muss auch das sofort sein. Eine Lehre muss her, noch besser eine schnelle Methode (nicht mehr als 4 Buchstaben), oder vielleicht etwas, was als stumpfe Click Anweisung aus dem Netzt kommt,
"Du wolltest schon immer,..?"
"Wie du in 5 Tagen, ...kannst!"
Eine kleine Übung zum 2. Advent.
Zünde deine hübschen Kerzen auch wirklich mal an und setzte dich davor. Schau auf deine Uhr oder stell den Timer auf 3 Minuten. Widme deine volle Aufmerksamkeit - ohne Nebengedanken- dieser Kerze. 3 lange Minuten lang.
Danach weißt du, wie sehr du vom Sofortness Virus betroffen bist .
Und diese Übung, also die gerichtete 3 Minuten Aufmerksamkeit- ist ein Weg der Genesung!
Es ist leicht, es ist lohnenswert und es öffnet Horizonte.
Bitte versucht es mal und schreibt mir, was sich verändert hat. War plötzlich Raum da, um einfach mal 1.ohne Absicht, 2.alleine, 3. in Ruhe spazieren zu gehen? Hatte es Einfluss auf eure Kreativität? Hatte es Wirkung auf eure innere Ruhe?
Ich bin so gespannt!
Ich wünsche euch einen geruhsamen 2. Advent und freue mich auf eure Kommentare.
Liebe Grüße
Birgit
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