Ich könnte jetzt ein Gewinnspiel aufrufen: "Wer erkennt, was er sieht...?"
Und genau darum geht es in diesem Blog! Um das Erkennen dessen, was man eigentlich sieht.
Erst einmal ein herzliches "Hallo ihr Lieben"!
Ich spanne euch nicht lange auf die Folter: Im Vordergrund das verglühende Feuer. Alle Großmütterchen und Großväterchen liegen wohlig im Bauch der Hütte. Die seht ihr als blaues Gespenst im Hintergrund. Der Schamane – in modern times – mit LED Taschenlampe ausgerüstet, durchsucht noch einmal die Schwitzhütte, ob etwas liegengeblieben ist. Dann wird dieser Tag verglimmen. Die Spirits aber, die bleiben noch...
Der Schamane– völlig erschöpft, wie wir alle – torkelt über das wildbewachsene Gelände, vorbei an den Gänsen, die umherflattern wie dicke Gespenster, vorbei an den drei Schafen, die ins Leere blöken. Er folgt der Lichterkette, die er am frühen Tag ausgelegt hat, um jetzt – nach dem Besuch einer anderen Welt – sicher ins Haus zurückzufinden. Es gibt so viele Welten.
Die Arbeit, die er im Vorfeld bereits geleistet hat, ist mit ein Grund, warum diese Schwitzhütte weder ihren besonderen Charakter hatte. Jedes Mal anders, jedes Mal überraschend, immer intensiv. Die Zusammenstellung der Menschen mag uns Teilnehmenden zufällig erscheinen, doch zeigt sich dem Schamanen schon früh ein Bild. Es ist nicht etwa Hellsichtigkeit, die ihn ahnen lässt, wer oder was kommen wird, es ist vielmehr seine Verbindung mit den Spirits.
Nein, er kennt nicht die Namen derer, die wirklich kommen, noch die derjenigen, die – etwas respektlos– einfach unangemeldet kommen. Er kennt das Thema, das im Feld liegt und er weiß, dass alle die gekommen sind, in der ein oder anderen Weise an diesem Thema zu arbeiten haben. Heute ist Equinox, Tagundnachtgleiche.
Die Tagundnachtgleiche ist so etwas wie ein Spalt zwischen den Welten. Raum genug um ins Unbekannte hinüber zu lugen. Der Schamane hat uns eingestimmt. In einem wunderschönen Text beschreibt er uns, was anliegt. Die Angst, die – unter anderem – Corona in uns auslöst; die neuen Wege, die wir gehen werden und müssen, er spricht über Verantwortlichkeit gegenüber Mutter Erde und darüber, dass es allerhöchste Zeit ist, die Spirits zu hören! Er erinnert uns, dass wir jetzt – nach der Tagundnachtgleiche – in die dunkle Zeit rutschen werden, die dem Stadtvolk Unbehagen verursacht, denn es melden sich vielleicht unbeachtete Stimmen. In Form von Gefühlen, Erinnerungen, Sehnsüchten. Der Körper meldet sich. Er ist vermutlich überfüttert, schlecht geölt und toplastig. Soll heißen, wir schenken nur dem Beachtung, was in der äußeren Welt tobt, wir hören weder die Gesänge von Mutter Erde, noch die wohlwollenden Hilfeangebote aus dem Kosmos. Nein, wir donnern selbstgesteuert und mit blinder Zuversicht ins Leere.
Kein Wunder, dass Angst immer noch ein Thema ist. Sie kommt zu jeder Zeit im geeigneten Kostüm und vielfältiger Gestalt.
Bei noch hochsommerlichen 30° stehen wir beinander. Alle die gerufen wurden. Scheue Blicke gehen hin und her. Der Schamane hingegen wirkt heiter, entspannt und spricht mit dem Feuermann. Das ist ein sehr verantwortungsvolles Amt und erfordert Konzentration, Kraft und Ausdauer. Es erfordert eine tiefe Verbindung zum Schamanen, denn wir arbeiten hier mit der Feuerkraft. Die ist intensiv, explosiv und immer irgendwie unberechenbar.
Über der Grube liegen bereits die Holzbalken, die später die Steine – die Großmütterchen und Großväterchen – tragen werden. Im Hintergrund ist sorgsam das Feuerholz aufgestapelt, dass unter den Steinturm geschoben wird, wenn erstmal alle Steine liegen. Kräuterbüschel liegen bereits, um die heißen Steine von der Asche zu befreien. Die Mistgabel, um die glühenden Steine sorgsam und nach Anweisung des Schamanen in der Hütte zu schieben. Aber erst einmal zündet der Feuermann einen Kräuterreisig an und weiht die Feuerstelle. Beifuss heute.
Der Schamane baut den Altar auf, der in östlicher Richtung zur Feuerstelle steht, etwas seitlich zur Hütte, die zu diesem Zeitpunkt nur ein Gerippe aus gebundenen Zweigen ist. Wir alle haben etwas mitgebracht für den Altar. Er ist schön dieses Mal, bunte Blumen, Kräuter, Glitzer, Holz und Klanginstrumente. Alles dabei.
Ich überspringe die Vorstellungsrunden, die einführenden Worte des Schamanen, seine Lieder und seine aufmunternden Worte zu uns und zu den Spirits.
Der Schamane bittet uns, die Steine aus der Hütte zu holen, wo sie seit dem letzten Mal verblieben sind. Dicke, schwere Basaltsteine, zum Teil schon ergraut, zum Teil schon rissig. Wie oft die Steine benutzt werden, ist die Entscheidung des Schamanen.
Das Feuer wird gezündet. Eine Flamme lodert in den Himmel, beißender Rauch schlingert um uns alle herum. Der Feuermann schaufelt mehr Holz unter das Konstrukt. Er schwitzt, seine Muskeln sind angespannt, das ist schwere Arbeit. Unser Feuermann ist Russe, und unter der Anstrengung fällt er in seine Muttersprache und ich höre, was das für wunderbare Klänge sind.
Jetzt kommt einer der schönsten Teile der Zeremonie. Die Steine werden einzeln, abwechselnd von den Teilnehmer auf die Grube getürmt. Dazu berührt man den Stein mit Mutter Erde, mit dem eigenen Herz und dann mit dem Kosmos. Jetzt wird laut der damit verbundene Wunsch gesprochen.
Die Wünsche sind für die Welt, für die Menschen, für die Natur, für die Ahnen, für die Familien. Nicht für den Einzelnen, nicht für´s Materielle.
Umsichtig balanciert der Schamane über der Feuerstelle, denn er bestreut Jeden bewünschten Stein mit Tabak und Kräutern. Als alle Seine liegen, strahlt die Sonne bereits ein tiefes Rot. Die Schafe, die immer am Zaun stehen und glotzen, schimmern wie rote Wölkchen.
Jetzt wird die Hütte abdeckt. Die Hütte wird umrundet, es wird gesungen und getrommelt. Dann legen wir die Decken nach Anweisung des Schamanen. Schicht für Schicht. Ich erinnere mich: das wird heiß werden.
Der Schamane ruft uns wieder in Feuerkreis und ruft noch einmal die Spirits an. Er bittet um ihren Beistand und um eine gute Hütte. Über dem kleinen Eingang in die Hütte hängt ein Glöckchen, es darf beim Betreten der Hütte (auf Knien) nicht bimmeln. Dann war der Teilnehmer nicht demütig genug. Die Stirn ist unterhalb des Herzens beim Betreten.
Wir fädeln uns in die Hütte. Jeder hat einen Unterlage dabei, denn der Grasboden wird sehr nass werden. Der Schamane geht als Erster. Er präpariert sein Räucherwerk, seine Trommel, dein Glöckchen.
Willkommen, willkommen, willkommen,
Steine seid willkommen...
Der Gesang scheint zunächst monoton, aber schon nach kurzer Zeit beginnt die Hütte zu schwingen. Die Feuermann schiebt mit der Mistgabel jeden Stein einzeln in die Mitte der Hütte, der Schamane korrigiert manchmal die Position. Wir erwarten 5 Runden, entsprechend wird die Menge der Steine aufgeteilt. Ein Eimer mit Wasser wird bereit gestellt, dann erhält der Feuermann die Aufforderung: "Schließe die Hütte!"
Es wird stockdunkel. Es wird richtig, richtig heiß. Im Verlauf der nächste Stunden wird die Hütte nur aufgemacht, um weitere Steine nachzulegen und um ein Füllhorn mit Wasser umhergehen zu lassen. Manche verlassen die Hütte frühzeitig. Sie bleiben beim Feuermann.
Die Augen brennen, der Körper schmerzt, alles ist triefend naß. Die Kräuter, die Gesänge alles vermischt sich zu einem Zustand, an dessen Anfang Überwindung steht. Wenn die Körperlichkeit (wie Sitzschmerz und Hitzewallungen) überwunden ist, kann ein Kontaktfeld zu den Spirits entstehen. Manchmal auch erste Tage später – so arbeiten halt die Spirits. Unvorhersehbar, aber immer zuverlässig.
Eine Schwitzhütte ist keine Sauna. Eine Schwitzhütte ist ein heiliges Reinigungsritual und es ist sehr anstrengend. Auf allen Ebenen des Seins.
Die Energie verändert sich. Sie wandert vom Ich zum Wir zum Alle...
Ich sitze – modern times – im ICE nach Süden. Drei Tage später.
Mir ist speiübel, immer noch. Ich habe Magenschmerzen gehabt, Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen, Zuversicht und Dankbarkeit, dass mein gesamtes System auf so wunderbare Weise vollkommen geeinigt werden durfte. Meine Denkblockaden verschieben sich. Ich fühle, dass ich schwer werde, ich habe das Gefühl, ich brauche einen Kran, um mein Bein anzuheben. Alles Teil des Prozesses.
Ich spüre die Veränderung und sie wird sich sehr bald in inneren Worten ausdrücken.
Das war die enorme Anstrengung wert.
Aho.
Liebe Grüße
Birgit
Nach einmal:
Eine Schwitzhütte ist keine Sauna. Sie bedarf innerer Vorbereitung, körperlicher Fitness und tiefen Vertrauens in die Spirits.
Comments